Kapitel 30: Nach einem unerfreulichen Bewerbungsgespräch schreibt Nita eine Nachricht an die Personalabteilung. (April 2016)

Von: Nita Kaufmann <nitakaufmann@hotmail.com>
Gesendet: Sonntag, 17. April 2016, 17:23 Uhr
An: humanresources@betterworldconsulting.com
Betreff: Vorstellungsgespräch vom 15. April 2016 / Beschwerde

Sehr geehrte Damen und Herren

Ich gelange in einer Angelegenheit an Sie, die mir wohl noch unangenehmer sein dürfte als Ihnen. Doch ich hoffe, dass Ihnen die Angelegenheit unangenehm genug ist, um etwas zu unternehmen.

Am Freitag, 15. April 2016, war ich zu einem Vorstellungsgespräch bei Ihnen eingeladen. Sie suchen eine Mitarbeitende, die in Schwellen- und Entwicklungsländern aktiv nach neuen Unterstützungs- und Geschäftstätigkeiten Ausschau hält. Die entsprechende Stellenausschreibung hat mich sehr angesprochen, denn die Möglichkeit, mich in Armuts- und Krisengebieten zu engagieren, zählt wohl zu den größten Träumen meines Lebens und begleitet mich seit Jahren. Darum habe ich mich ohne Zögern beworben – und mich enorm gefreut, als ich zu einem Vorstellungstermin eingeladen wurde.

Vorgesehen war, dass ich das Gespräch mit Herrn Emil Rosenthal und Frau Anna di Cesare haben würde. Bei meinem Eintreffen teilte mir Herr Rosenthal jedoch mit, dass Frau di Cesare leider nicht am Gespräch werde teilnehmen können. Ich dachte mir nichts dabei und ging mit Herrn Rosenthal in das Besprechungszimmer.

Zu Beginn fragte mich Herr Rosenthal nach meinen Beweggründen für die Bewerbung, interessierte sich für meine berufliche Vergangenheit und dafür, welche Ziele ich noch zu erreichen gedachte. Ich antwortete freimütig, erzählte davon, wie die Stelle sehr viele Aspekte in sich vereine, die ich mir im Hinblick auf meine berufliche, aber auch auf meine private Zukunft stets erträumt hatte. Als ich meine Begeisterung zum Ausdruck brachte, musste ich mich nicht verstellen, denn die Stellenbeschreibung klingt in meinen Ohren tatsächlich wie ein Traum, der kurz davor steht, in Erfüllung zu gehen.

Ich weiß nicht, ob es mein Enthusiasmus war, der Herrn Rosenthal zur Annahme kommen ließ, dass ich für diese Stelle bereit wäre, mich auf Dinge einzulassen, die nicht im Stellenprofil beschrieben waren. Zu Beginn waren es lediglich einige Bemerkungen, die Herr Rosenthal machte und die ich noch als unpassend, aber unverfänglich abzutun versuchte. Er sprach davon, dass eine so schöne Frau wie ich in gewissen Regionen aufpassen müsse, außerdem meinte er, dass Better World Consulting sich zweifellos glücklich schätzen würde, eine solch attraktive Botschafterin in den eigenen Reihen zu wissen. Ich ging auf diese Bemerkungen nicht ein und versuchte, das Gespräch auf einem professionellen und seriösen Niveau zu bewahren. Doch Herr Rosenthal hatte offensichtlich andere Pläne.

Etwa nach zwanzig Minuten unseres Gesprächs ließ Herr Rosenthal durchblicken, dass er mehr als nur ein gutes Wort für mich einlegen würde, wenn ich meinerseits bereit wäre, meinen Willen, für Better World Consulting zu arbeiten, unter handfesten Beweis zu stellen. Konkret sagte er, dass er zweifelsfrei dafür sorgen könne, dass ich die Stelle erhalte. Als Gegenleistung erwarte er dafür lediglich eine kleine Gefälligkeit. Zumindest ein Blowjob müsste es schon sein, noch besser wäre aber natürlich richtiger Sex. Natürlich würde er auch ein Kondom benutzen, versicherte Herr Rosenthal.

Ich muss zugeben, dass ich ziemlich stolz bin auf die Art und Weise, wie ich auf diese Avancen reagiert habe. Ich bin aufgestanden, habe Ihrem Herrn Rosenthal eine Ohrfeige gegeben und ihn wohl ein Arschloch genannt. Dann habe ich ihm gesagt, dass diese Sache ein Nachspiel haben werde, und bin gegangen.

Dieses erwähnte Nachspiel, es liegt nun in Ihren Händen. Ich kenne die Strukturen in Ihrem Unternehmen zu wenig gut und kann darum nicht einmal ahnen, wie Sie mit dieser Angelegenheit umzugehen gedenken. Es kann sein, dass Sie die Sache einfach unter den Teppich kehren und Herrn Rosenthal vielleicht ermahnen, mehr aber nicht. Ich hoffe aber sehr, dass Sie in der Lage sind, die tiefschürfende Problematik des Verhaltens von Herrn Rosenthal zu erkennen. Und ich hoffe, dass Sie die richtigen Schritte einleiten werden. Das war keine harmlose Entgleisung, kein Vergreifen im Ton. Das war sexuelle Belästigung per Definition. Und ich wünsche mir von Herzen, dass Better World Consulting auch in dieser Hinsicht einen Beitrag zu einer besseren Welt leisten kann. Und im Bezug auf Herrn Rosenthal die richtigen Schritte einzuleiten vermag.

Ich freue mich, wenn ich von Ihnen höre, und stehe für weitere Auskünfte oder ein persönliches Gespräch natürlich zur Verfügung. Sofern es eine andere Richtung einschlägt als das Gespräch mit Herrn Rosenthal.

Freundliche Grüße
Nita Kaufmann

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