«Maria?»
«Ja?»
«Du bist es.»
«Ja. Und Sie… Du… Livio?»
«Si.»
«Du bist es.»
«Ja.»
«Es ist… Es ist lange her.»
«Ja, sehr lange. Aber du siehst noch genauso bezaubernd aus wie damals.»
«Und du bist noch der gleiche Charmeur wie damals.»
«Wie geht es dir, Maria?»
«Gut. Ich… Gut. Es geht mir gut. Und dir?»
«Gut. Und jetzt noch besser, wo ich dich hier sehe.»
«Ach.»
«Ich… Oh, ich muss leider schon wieder weiter, bin etwas in Eile. Ich habe noch einen Termin. Die Arbeit ruft, weißt du?»
«Ach so.»
«Ja. War schön, dich zu sehen.»
«Ja, sehr schön. Vielleicht…»
«Vielleicht sehen wir uns ja bald wieder.»
«Ja, vielleicht.»
«Also, ich muss los, tut mir leid. Mach‘s gut, Maria.»
«Du auch, Livio. Mach‘s gut.»
Zwölf Jahre? Oder elf? Maria ist sich nicht mehr sicher. Die Zeit ist längst keine Freundin mehr, sie ist unerbittlich geworden. Sie kann geradezu spüren, wie die Zeit ihre Zähne in ihre Haut bohrt, an den Sehnen und Bändern zerrt. Sie ist seit 37 Jahren zugegen, hat 37 Jahre lang in die Welt geblickt, hat 37 Jahre lang geatmet. Doch bei vielen dieser Jahre weiß sie nicht, wohin sie entschwunden sind.
Livio. Er war keiner, der den Klischees eines typischen Italieners entsprach. Er war zwar überaus charmant, dabei aber stets sehr zurückhaltend, beinahe schüchtern. Sie erinnert sich daran, wie vorsichtig er war, als sie sich zum ersten Mal küssten. Er streichelte ihre Wange, dann ihr Ohr, seine Hände waren warm, die Finger zitterten leicht. Als sich ihre Lippen berührten, hielt er kurz inne, schien abzuwarten, ob der Kuss wirklich ihren Wünschen entsprach. Sie zog damals seinen Kopf zu sich heran, denn ja, sie wollte ihn küssen. Unbedingt.
Bei diesem ersten Kuss wusste er noch nicht, dass sie verlobt war. Als sie zum ersten Mal miteinander schliefen, wusste er es noch immer nicht. Sie erzählte es ihm, nachdem sie zu dritten Mal miteinander geschlafen hatten. Ein viertes Mal gab es nicht.
Danach sahen sie sich noch ein einziges Mal. Sie war zu ihm nach Hause gekommen, um sich zu entschuldigen. Gleichzeitig wollte sie ihm sagen, dass sie sich entschieden hatte, bei Hugo, ihrem Verlobten zu bleiben. Sie wollte noch viel mehr sagen, wollte ihm versichern, wie viel er ihr bedeutete, doch er hörte wohl gar nicht richtig zu. Er hatte sie nicht in die Wohnung gebeten, also musste sie ihre sorgsam einstudierten Worte unter dem Türrahmen wiedergeben. Livio nickte lediglich, und irgendwann, während sie mitten im Satz ins Stocken geraten war, sagte er, dass es okay sei. Es ist okay, Maria. Dann nickte er ihr seltsam distanziert zu, wie einer Fremden, die ihm etwas zu verkaufen versuchte, das er nicht haben wollte. Schließlich bedankte er sich und schob die Türe zu. Sie weiß bis heute nicht, wofür er sich damals bedankte hatte.
Sie hatte Hugo nichts von Livio erzählt. Zwar war ihr Ehrlichkeit stets ein essenzieller Wert, doch ihre Beziehung, ihre Verlobung mit Hugo war ihr auch wichtig, war ihr wohl wichtiger, und da sie nicht überzeugt war, dass er ihr die Sache mit Livio würde verzeihen können, schwieg sie darüber. Hugo und sie waren damals seit fünf Jahren ein Paar und hatten sich beide relativ wortlos darauf geeinigt, gemeinsam durchs Leben zu gehen, eine Familie zu gründen. Sie waren erschreckend langweilig in ihrer Seriosität und Angepasstheit, doch für Maria war diese ausgeprägte Normalität nicht nur angenehm, sondern der einzige Weg, um einigermaßen schadlos durch die Jahre zu kommen. Dass sie sich in Livio verliebte, war nicht vorgesehen. Das war ein Zwischenfall, mit dem sie nicht gerechnet hatte.
Während sie Livio hinterherschaut, überlegt sie einen Moment lang, ob sie ihm folgen soll. Sie könnte neben ihm her gehen und mit ihm reden, bis er an jenem Ort eintrifft, wo er seinen Termin hat. Doch wahrscheinlich wäre es ihm unangenehm. Und womöglich wüsste sie auch nicht, worüber sie reden sollte.
Sie könnte von ihrem Leben erzählen. Von ihrem Leben nach Livio. Sie könnte davon erzählen, wie sie einige Wochen, nachdem er ihre Affäre beendet hatte, bemerkte, dass sie schwanger war. Sie könnte davon erzählen, wie Martin zur Welt kam, zwei Jahre später dann Anita. Sie könnte von diesem offensichtlichen Familienglück erzählen, das ihr nie richtig geheuer war. Sie könnte. Aber sie würde nicht. Nichts davon gehört in ein Gespräch mit Livio.
Sie hatten sich in einem Café kennengelernt. Maria war während eines sintflutartigen Regenschauers dorthin geflüchtet, weil sie keine andere Möglichkeit gefunden hatte, um einigermaßen trocken zu bleiben. Zahlreiche andere Passanten hatten das Café ebenfalls den nassen Füssen vorgezogen und sich auf die Tische verteilt. Für Maria war kein Tisch mehr freigeblieben, also setzte sie sich zu einem jungen Mann , der schon zuvor im Café gesessen hatte und damit beschäftigt war, in ein Notizbuch zu schreiben. Er lächelte sie an und klappte sein Notizbuch zu.
«Der Himmel ist sehr traurig heute», sagte er lächelnd.
«Ja», erwiderte Maria. «Ich kann es ihm nicht verübeln.»
Er lud sie zu einem Kaffee ein. Eine halbe Stunde später bestellt er ein Glas Wein. Zu diesem Zeitpunkt wusste sie bereits, dass er nasses Haar bei Frauen anziehend fand, dass er seit zwei Jahren Single war, dass er wahrscheinlich besser schreiben als reden konnte und dass er mehr Schriftstellerzitate kannte als einem Gespräch in der Regel guttun. Er wusste von ihr nicht viel, lediglich das, was sie preiszugeben gedachte. Sie nannte zwar ihren richtigen Namen, aber das, was darüber hinausging, war eine ziemlich spontane Mischung aus Halbwahrheiten, Erfindungen und Wunschdenken. In den kommenden Wochen sollte sie einige Male daran scheitern, ihrem hastig zusammengeschusterten Charakter gerecht zu werden. Doch in jenem Moment im Café fühlte sie sich ungewohnt abenteuerlich.
«Ich habe den Eindruck, der Regenschauer war kein Zufall», sagte Livio leise und nippte ein weiteres Mal an seinem Weinglas. Maria lächelte und fühlte sich so, wie sie sich in den vergangenen fünf Jahren kein einziges Mal gefühlt hatte. Ein Blick auf die Uhr ließ sie jäh in die Realität zurückkehren.
«Ich… Ich muss los. Mein… Meine Mutter… Bitte entschuldige!»
Natürlich ging es nicht um ihre Mutter. Sie musste nach Hause zu Hugo, der bestimmt längst auf sie wartete, doch sie mochte Livio nicht davon erzählen. Noch nicht. Also erfand sie eine obskure Krankheit, von welcher ihre Mutter betroffen war. Livio verstand nur zu gut, schließlich hatte er kurz davor von der Krebserkrankung seiner Mutter erzählt. Bevor er sich von Maria verabschiedete, bat er sie um ein Wiedersehen.
«Heute in einer Woche. Gleiche Zeit. Genau hier. Okay?»
«Okay», erwiderte Maria nach einem kurzen Zögern.
«Auch ohne Regen.»
«Auch ohne Regen, ja.»
Eigentlich war sie davon überzeugt, dass es richtig gewesen wäre, nicht hinzugehen. Sie war doch zufrieden mit dem Leben, das sie lebte, war doch zufrieden mit der Art und Weise, wie Hugo und sie ihre Stunden und Tage zubrachten. Sie war doch zufrieden. Dennoch ging sie hin. Und noch heute, mehr als ein Jahrzehnt danach, glaubt sie sich an die Unruhe erinnern zu können, an die Unruhe in ihrem Innern. Eine Unruhe, die sie seither nicht mehr gespürt hat.
«Du bist gekommen!», stotterte Livio und schien ehrlich überrascht.
«So hatten wir es letzte Woche vereinbart, oder?», gab Maria zurück und war ihrerseits verblüfft, wie souverän sie sich zu verhalten vermochte.
«Ich wusste nicht, ob dir etwas daran liegt.»
«Jetzt weißt du es.»
Die Gespräche mit Livio unterschieden sich deutlich von jenen mit Hugo. Während sie sich mit ihrem Verlobten meistens über praktische Dinge unterhielt, über Käsesorten und Bauarbeiten im Quartier, über die Banalitäten des Alltags, waren diese Banalitäten bei Livio höchstens eine Art Prolog, eine Einleitung zu wunderbar tiefgründigen und bisweilen philosophischen Diskussionen. Sie sprachen über den Umsturz im Iran, aber auch über Bob Dylan und Kurt Tucholsky, über körperliche Scham und die Filme von Truffaut. Maria merkte bald, dass sie von diesen Dingen bisweilen sehr viel weniger verstand als Livio, doch sie fühlte sich seltsam geehrt, dass er trotzdem mit ihr darüber reden mochte. Sie gestand zwar nie ein, wenn sie zu einem Thema kaum Bescheid wusste, doch sie merkte wohl, dass es Livio nicht verborgen blieb. Dennoch ließ er sich nichts anmerken, versuchte nie, seine Intelligenz in den Vordergrund zu stellen. Ihm schien stets wichtig, dass sie sich im Gespräch wohlfühlte, und dieses Gebaren berührte sie vielleicht noch mehr als die charmanten Sprüche, die ihm scheinbar mühelos von der Zunge gingen.
Schon bei ihrem Wiedersehen eine Woche nach dem ersten Zusammentreffen wäre sie wohl mitgegangen, wenn er sie gefragt hätte, ob sie zu ihm nach Hause kommen wolle. Doch er fragte nicht, erwähnte lediglich, dass seine Wohnung nur wenige hundert Meter entfernt lag. Als sie zum dritten Mal in jenem Café saßen, benötigten sie jedoch nur noch wenige Minuten, bis sie sich entschlossen, zu ihm zu gehen. Nach dem Verlassen des Cafés hielt er sie zurück, zog sie an sich und küsste sie. Maria war zunächst beinahe empört, obschon ihr gefiel, was geschah. Nach einem ersten Zögern ließ sie den Kuss geschehen, verlor sich in ihm.
In seiner Wohnung bot er ihr ein Glas Wein an, doch sie schüttelte den Kopf, lächelte ihn an und begann, sein Hemd aufzuknöpfen. Seine Brust war behaart, die Muskeln zeichneten sich unter der Haut ab, sein Körper fühlte sich ganz anders an als jener von Hugo. Maria spürte, wie Livios Hände über ihren Körper wanderten, wie seine Finger sich hinter ihre Ohren tasteten, dann hin zu ihrem Hals, dann hinab zwischen ihre Brüste. Als er sich auf die Knie sinken ließ und ihren Rock nach oben schob, dachte sie einen Moment lang darüber nach, welche Unterwäsche sie am Morgen angezogen hatte. Dann ging der Moment vorüber, und Maria spürte Livios Lippen, seine Zunge.
Wenn sie heute zurückdenkt, erinnert sie sich noch genau an ihr mühevolles Bestreben, die Gedanken an Hugo zur Seite zu schieben, während sie neben Livio im Bett lag. Sie ballte ihre Hand zur Faust, kaute auf ihrer Unterlippe, hielt den Atem an; sie tat alles, um ihr tatsächliches Leben von jenem Moment fernzuhalten. Und es gelang ihr tatsächlich, zumindest an jenem Tag und auch noch beim nächsten Zusammentreffen. Sie klammerte sich an die Möglichkeit,, dass alles, was so zerfahren und konfus wirkte, sich von alleine entwirrte. Beim dritten Besuch in seiner Wohnung musste sie einsehen, dass eine solche Möglichkeit nicht existierte.
«Livio?», flüsterte sie.
«Ja, meine Liebe?»
«Ich… Nein, nichts.»
«Was denn?»
«Es ist nichts.»
«Sag schon.»
«Nein.»
«Wie du willst.»
«Es ist…»
«Ja?»
«Es ist kompliziert.»
«Nun, kannst du es in einfache Worte fassen?»
«Ja», antwortete sie nach einem kurzen Zögern.
«Also?»
«Ich bin verlobt.»
Sie ist sich noch immer nicht sicher, was sie mehr erschüttert hat; sein Gesichtsausdruck oder das Schweigen, das diesen Gesichtsausdruck begleitete. Er fragte nicht nach, er bat sie nicht um Erklärungen, er wollte nicht darüber reden. Er schwieg einfach. Irgendwann stand er auf, zog sich hastig an, beinahe so, als würde er sich plötzlich für seine Nacktheit schämen. Vielleicht tat er es auch. Er zündete sich eine Zigarette an, stellte sich ans Fenster und schwieg weiter. Sie ging zu ihm hin, legte ihre Hand auf seine Schulter, doch er regte sich nicht. Sie verlor sich in kruden Erklärungen, in denen nicht einmal sie selbst eine gewisse Klarheit erkennen konnte. Irgendwann verstummte sie, kleidete sich an und verließ die Wohnung.
In den folgenden Wochen waren ihr die Füße häufig zu schwer, um weite Strecken zu gehen. Nichts schien zumindest eine Art von Schönheit in sich zu tragen, was auch immer sie anblickte, wirkte blass und grau. Die Weite und die Höhen, die ihr im Zusammensein mit Livio begegnet waren, hatten sich aufgelöst und waren jener Kleinheit gewichen, die sie eigentlich bereits kannte, die ihr zuvor jedoch nie so einengend und lähmend vorgekommen war. Wenn Hugo mit ihr redete, rann ihm eine öde Langeweile über die spröden Lippen, seine Worte waren nicht viel mehr als ein leidiges Übel, und Maria bemühte sich, den Gesprächen mit ihrem Verlobten tunlichst aus dem Weg zu gehen. Bisweilen starrte sie ihn einfach an, vermutlich mit einem kalten Blick und so lange, bis es ihm auffiel und er sich erkundigte, ob etwas nicht in Ordnung sei. Jedes Mal, wenn er diese Frage stellte, war Maria versucht, ihm die Wahrheit zu erzählen. Doch sie tat es nicht, tat es nie. Stattdessen zuckte sie mit ihren Schultern und meinte, dass sie einfach müde sei.
Bisweilen war sie überzeugt davon, dass Hugo längst Bescheid wusste und ihr lediglich das beschämende Gefühl ersparen wollte, ertappt worden zu sein. In solchen Momenten verspürte sie eine überraschende Dankbarkeit für seinen Respekt und seine Achtung vor ihr. Dann wieder schien es ihr vollkommen unmöglich, dass er überhaupt Verdacht schöpfte, viel zu gering war sein Interesse an ihren Gedanken und Gefühlen, viel zu lapidar war sein Bemühen, ihrem Zusammensein mehr Wärme zu verleihen.
Dass sie in jener Zeit trotzdem häufiger miteinander schliefen als üblich, wurde Maria erst bewusst, als ihre Periode ausgeblieben war. Zunächst zweifelte sie daran, dass sie und Hugo überhaupt in der Lage waren, ein Kind zu zeugen. Doch der Arzt räumte diese Zweifel aus, und einige Tage nach der Erkenntnis, dass sie schwanger war, begann sie, sich auch tatsächlich darüber zu freuen. Dass sie Mutter werden würde, verschob ihren Blickwinkel auf die Welt in vielfacher Hinsicht. Die nahezu langweilige Bodenständigkeit von Hugo schien ihr nun seltsam angebracht, der Drang nach neuen Entdeckungen ebbte immer mehr ab, das Gefühl, etwas zu versäumen, schlief beinahe gänzlich ein. Die Episode mit Livio – und mehr als eine Episode war es offenbar nicht, jedenfalls nicht mehr – rückte unaufhörlich in den Hintergrund, machten neuen Eindrücken Platz. Ihr Körper veränderte sich, fühlte sich anders an, und obwohl er dicker und unförmiger wurde, mochte sie ihn lieber berühren, fühlte sich wohler darin. Sie hatte sich bisher nie als typische Mutter gesehen, doch nun, da sie kurz davor stand, eine zu werden, wirkte es seltsam logisch.
Erst in den letzten Wochen ihrer Schwangerschaft dachte sie wieder häufiger an Livio. Sie wusste, dass er keinesfalls der Vater ihres Kindes sein konnte. Aber als Martin dann zur Welt kam, suchte sie in seinem Gesicht dennoch nach Spuren von Livio. Natürlich fand sie keine. Trotzdem war sie enttäuscht. Dass Martins Gesichtszügen auch nicht an Hugo erinnerten, war ihr seltsam egal.
Nun also, nach elf oder zwölf Jahren, sieht sie Livio wieder. Und während er sich Schritt um Schritt von ihr entfernt, stellt sie sich die Frage, die sie sich so oft gestellt hat in den vergangenen Jahren. Wären die Dinge anders verlaufen, wenn…? Und hinter diesem wenn können zahlreiche Ereignisse stehen, nicht nur die Affäre mit Livio, sondern auch ganz banale Begebenheiten, die darauf folgten; ein nur knapp verhinderter Unfall, Turbulenzen im Flugzeug, eine zunächst lebensgefährliche Erkrankung, die sich dann doch als harmlos entpuppte, eine zweite kurze Affäre mit einem Nachbarn. Stets war da die Möglichkeit, dass sich ihr Leben verändern könnte. Doch das tat es nicht. Es pendelte sich immer wieder ein, bewegte sich zurück in den Normalzustand. Und keiner dieser Situationen schien ihr im Nachhinein so drängend wie jene Wochen mit Livio. Wenn jemand sie aus dieser Normalität hätte herausreißen können, dann er. Doch es gelang ihm nicht, und vielleicht ließ sie es auch nicht zu.
Und jetzt sieht sie ihm nach, bis er um eine Ecke biegt und aus ihrem Blickfeld verschwindet. Dann starrt sie auf einen Punkt am Boden. Jemand hat einen Kaugummi ausgespuckt, er klebt auf dem Asphalt, ein heller Fleck auf schmutzigem Grau, tausendfach flachgedrückt, tausendfach niedergetrampelt. Sie fragt sich, ob irgendjemand diesen flachen Kaugummi jemals vom Boden kratzen würde. Und ob dann ein Fleck zurückbleiben würde, eine Leerstelle, ein wenig heller als der Rest des Asphalts. Einen Moment lang ist sie versucht, den Kaugummi selbst zu entfernen, ihn vom Boden zu lösen. Sie tut es nicht. Stattdessen hebt sie ihren Blick, sieht sich vorsichtig um, ob jemand sie beobachtet hat, und geht dann weiter.