Kapitel 21: Hugo spricht im Hotelzimmer in sein Telefon und trinkt Whisky. (August 2016)

Hugo hat soeben eine winzige Whiskyflasche aus der Minibar geholt und den Inhalt in ein Glas geschüttet, als sein Handy klingelt. Er setzt sich auf die Kante des viel zu weichen Hotelbetts und nimmt den Anruf an.

«Hallo.»

«…»

«Ganz okay, danke. Und dir?»

«…»

«Nicht viel. Bin gerade zum Hotel zurückgekommen.»

«…»

«Einen Hamburger. War aber nicht wirklich gut.»

«…»

«Ja.»

«…»

«Nicht viel. Jedenfalls nichts, das uns weiterhelfen würde.»

«…»

«Ich habe ein wenig rumgefragt.»

«…»

«Ich war in jener Kneipe, von der Anita einige Male erzählt hat.»

«…»

«Ja, Hinterzimmer heißt sie.»

«…»

«Ein junger Mann, der dort arbeitet, hat gesagt, dass er eine Nita kenne.»

«…»

«Nein, Maria, niemand kennt Anita. Sie verwendet diesen Namen nicht mehr.»

«…»

«Nicht viel. Er hat erzählt, dass sie häufig in dieses Hinterzimmer komme und ein Glas Wein trinke.»

«…»

«Das habe ich ihn auch gefragt. Er war sich nicht sicher, glaubte aber, dass sie oft alleine dort war. Manchmal auch in Begleitung einer Frau, einige Male vielleicht auch zusammen mit einem Mann.»

«…»

«In den letzten Wochen habe er sie nicht mehr gesehen.»

«…»

«Woher soll ich das wissen, Maria?»

«…»

«Sie habe ihn einmal gefragt, ob sie im Hinterzimmer arbeiten könne. Er habe aber Nein sagen müssen, sie hatten keine Stelle frei.»

«…»

«Nein, ich denke nicht.»

«…»

«Keine Ahnung. Eine Kneipe eben. Die Wände sind voller Plakate, alle Stühle sind unterschiedlich, die Tische auch. Aber eigentlich ziemlich gemütlich. Keine allzu laute Musik.»

«…»

«Ich habe nur ein Bier getrunken, dann bin ich wieder gegangen.»

«…»

«Ja, ich war dort, durfte sogar ins Büro und mit ihren Arbeitskollegen reden. Aber niemand konnte mir etwas erzählen.»

«…»

«Nein, niemand. Zumindest niemand, den ich gefragt habe.»

«…»

«Ich weiß selbst, dass sie schon lange dort gearbeitet hat. Aber offensichtlich hat sie nicht allzu viel mit den anderen Leuten gesprochen, jedenfalls nicht über ihr Leben.»

«…»

«Einer ihrer Kollegen hat gemeint, dass eine ehemalige Mitarbeiterin vielleicht weiterhelfen könne. Sie arbeite aber schon seit einigen Monaten nicht mehr dort.»

«…»

«Er konnte mir keine Adresse geben. Nur den Namen.»

«…»

«Lisa. Lisa Schneider.»

«…»

«Ich kenne sie auch nicht.»

«…»

«Wahrscheinlich versuche ich, alle Frauen mit diesem Namen in dieser Stadt zu kontaktieren. Vielleicht habe ich ja Glück.»

«…»

«Nein, das musst du nicht. Ich kann auch hier im Hotel ins Internet.»

«…»

«Ja, ich war bei Hanna, habe geklingelt. Hat aber niemand geöffnet. Ich gehe morgen nochmals hin.»

«…»

«Ich weiß es nicht, aber ich denke schon.»

«…»

«Ich will es zumindest versuchen. Darum bin ich ja hier in der Stadt. Damit wir etwas erfahren! Damit wir sie finden! Ich mache das nicht, weil es mir Freude bereitet!»

«…»

«Ich weiß.»

«…»

«Ich weiß. Ich habe auch Angst.»

«…»

«Ach, Maria, nicht weinen.»

«…»

«Okay, okay.»

«…»

«Ich weiß. Tut mir leid.»

«…»

«Mach dir eine gute Tasse Tee, schau dir irgendeinen Quatsch im Fernsehen an.»

«…»

«Nicht mehr viel. Ich leere noch die Minibar und schaue mir dann auch irgendeinen Quatsch im Fernsehen an.»

«…»

«Nein, natürlich nicht.»

«…»

«Ich werde es versuchen.»

«…»

«Ja, klar, mach ich.»

«…»

«Du auch. Schlaf gut.»

«…»

Er wirft sein Handy vor sich auf das Bett und trinkt den restlichen Whisky mit einem großen Schluck. Hugo stellt das Glas auf den kleinen Tisch neben sich, legt sich hin und legt seinen Arm über seine Augen. Draußen vor dem Hotelfenster rauscht die abendliche Nacht, bisweilen unterbrochen von Hupen und aufheulenden Motoren. Irgendwann hört er die Sirene eines Polizeiautos oder eines Krankenwagens. Das unheilvolle Geräusch wird lauter und lauter, hört kurz auf und wird dann wieder leiser. Hugo presst seine Zähne zusammen, drückt den Arm noch ein weniger heftiger auf sein Gesicht und krallt die Finger der anderen Hand in die Matratze. Schließlich verstummt die Sirene wieder.

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